Entscheidung im Mietrecht
Fristenregelung bei Schönheitsreparaturen

BGH, Urteil vom 22. September 2004 - VIII ZR 360/03

Eine mietvertragliche Regelung, durch die die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt wird, ist auch dann wegen unangemessener Benach­teiligung des Mieters unwirksam, wenn die Verpflichtung als solche und die für ihre Erfüllung maßgebenden starren Fristen zwar in zwei verschiedenen Klauseln enthalten sind, zwischen diesen Klauseln aus der Sicht eines verständigen Mieters je­doch ein innerer Zusammenhang besteht, so dass sie als ein­heitliche Regelung erscheinen (im Anschluss an Senatsurteil vom 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03, DWW 912004, Seite 221).

Zur Sache:

Die Beklagten hatten von dem Kläger ein Einfamilienhaus mit Garten in D. gemietet. Der Mietvertrag vom 15. Juli 1991 enthielt unter anderem folgende formularvertragliche Regelungen:

§ 10 Schönheitsreparaturen
I. Der Mieter verpflichtet sieh, die laufenden (turnusmäßig wiederkehrenden) Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten durchzuführen.

3. Der Mieter ist verpflichtet, die Ausführung der Schönheitsreparaturen in Küchen, Baderäumen und Duschen in einem Zeitraum von drei Jahren, in Wohn- und Schlafräumen, Fluren, Dielen und Toiletten in einem solchen von fünf Jahren und in anderen Nebenräumen von sieben Jahren durchzuführen, soweit nicht nach dem Grad der Abnutzung eine frühere Ausführung erforderlich ist. Die maßgeblichen Fristen beginnen mit dem Anfang des Mietverhältnisses zu laufen.

§ 22 Beendigung des Mietverhältnisses
2. Die fälligen Schönheitsreparaturen hat der Mieter nach Maßgabe des § 10 auszuführen. ... Der Mieter hat dem Vermieter den Zeitpunkt und den Umfang der letztmaligen Schönheitsreparaturen nachzuweisen."

Das Mietverhältnis endete am 31. Mai 2002; die Beklagten räumten das Grundstück. Mit Schreiben vom 8. Juli 2002 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagten unter Frist­setzung bis zum 21. Juli 2002 zur Beseitigung verschiedener Mängel auf und kündigten an, nach Fristablauf Schadensersatzan­sprüche geltend zu machen. Dieser Aufforderung kamen die Be­klagten nicht nach.

Aus den Gründen:

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Schönheitsreparaturen zusteht, da die Beklagten zu deren Ausführung nicht verpflichtet sind. § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags vom 15. Juli 1991 ist gemäß § 9 Abs. I, Abs. 2 Nr. I AGBG (nunmehr § 307 Abs. I Satz I, Abs. 2 Nr. I BGB) unwirksam, da die Formularklausel den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

a) Das Berufungsgericht hat die in § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags enthaltene Fälligkeitsregelung, wonach der Mieter verpflichtet ist, die Schönheitsreparaturen in Küchen, Baderäumen und Duschen in einem Zeitraum von drei Jahren, in Wohn- und Schlafräumen, Flu­ren, Dielen und Toiletten in einem solchen von fünf Jahren und in anderen Nebenräumen von sieben Jahren durchzuführen, soweit nicht nach dem Grad der Abnutzung eine frühere Ausführung er­forderlich ist, zu Recht als Vereinbarung verbindlicher Renovie­rungsfristen ausgelegt. Diese Auslegung unterliegt der uneinge­schränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht, da der vom Verlag Haus und Grund GmbH herausgegebene Formularmietver­trag über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung findet (vgl. BGHZ 98, 256, 258; 134, 42, 45). Allgemeine Ge­schäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typi­schen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der nor­malerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspart­ners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 102, 384, 389 f.). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die in § 10 Ziff. 3 enthaltene Regelung zutreffend als "starren" Fristenplan ausgelegt. Die formularvertragliche Klau­sel ist aus der Sicht eines verständigen Mieters so zu verstehen, dass die Schönheitsreparaturen spätestens nach Ablauf der dort ge­nannten Zeiträume von drei, fünf oder sieben Jahren fällig werden. Auf den Grad der Abnutzung der gemieteten Räume kommt es da­nach allein hinsichtlich einer möglichen Verkürzung der Renovie­rungsfristen an; für eine entsprechende Verlängerung ist nach der getroffenen Regelung hingegen kein Raum, da der Fristenplan in­soweit keine Ausnahme zulässt und mithin verbindlich ist.

b) In dieser Auslegung ist die in § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags ent­haltene Fälligkeitsregelung unwirksam, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat. Der Senat hat in einer nach Erlass des Berufungsurteils und Einlegung der Revision ergangenen Entscheidung (Urteil vom 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586) ausgeführt, dass eine formularvertragliche Klausel, die einen "starren" Fristenplan mit Renovierungsintervallen von zwei Jahren für Küche, Bad und Toilette und von fünf Jahren für alle übrigen Räume vorsieht, gemäß § 307 Abs. I Satz I, Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. § 9 Abs. I, Abs. 2 Nr. I AGBG unwirksam ist, da sie im Einzelfall dazu führen kann, dass der Mieter Schönheitsre­paraturen auch dann auszuführen hat, wenn ein Renovierungsbe­darf tatsächlich noch nicht besteht (vgl. im einzelnen Senat, a.a.O., unter 112). Dass die in § 10 Ziff. 3 des vorliegenden Miet­vertrages aufgeführten Fristen demgegenüber zum Teil länger be­messen sind und den in § 7 Fußnote I des vom Bundesministeri­um der Justiz herausgegebenen Mustermietvertrags 1976, Fas­sung I (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 22/76, abgedruckt bei Gelhaar in BGB-RGRK, 12. Aufl, vor § 535 Rdnr. 87) angegebe­nen Renovierungsintervallen entsprechen, wonach Schönheitsre­paraturen "im Allgemeinen" nach Ablauf dieser Zeiträume erfor­derlich sein werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch nach Ablauf der Renovierungsintervalle von drei, fünf und sieben Jahren kann es im Einzelfall an einem tatsächlichen Re­novierungsbedarf fehlen (vgl. insoweit auch Senat, a. a.O., unter 11 2 b). Dies ist in § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags im Unterschied zu der in § 7 des Mustermietvertrags enthaltenen Regelung, die kei­ne "starren" Renovierungsintervalle vorgibt, nicht berücksichtigt.

c) Auch die in § 10 Ziff. I enthaltene Schönheitsreparaturver­pflichtung ist unwirksam. Das Berufungsgericht hat mit Recht zwischen der in § 10 Ziff. 3 des Mietvertrags enthaltenen Fristen­bestimmung und der Verpflichtung zur Durchführung der "turnusmäßig wiederkehrenden" Schönheitsreparaturen (§ 10 Ziff. I) einen inneren Zusammenhang gesehen, der eine Aufrechterhal­tung der Sehönheitsreparaturverpf1iehtung ausschließt. Zwar sind die Regelungen in unterschiedlichen Vertragsklauseln enthalten. Aus der Sicht eines verständigen Mieters bestimmt sich der Um­fang der in Ziff. I geregelten Schönheitsreparaturverpflichtung jedoch nach dem in Ziff. 3 enthaltenen (starren) Fristenplan, so dass die beiden Klauseln inhaltlich miteinander verknüpft sind. Bliebe die in § 10 Ziff. I dem Mieter auferlegte Schönheitsrepa­raturverpflichtung ohne den Fristenplan bestehen, würde sie mit­hin aus der Sicht des Mieters inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten. Dies wäre jedoch eine unzulässi­ge geltungserhaltende Reduktion der Formularklausel (vgl. Se­natsurteil vom 23. Juni 2004, a.a.O., unter II 3).


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